AKADEMISCHE REITKUNST

WAS IST DAS?


Wenn man heute von Akademischer Reitkunst spricht, denken viele an die Ausbildungsmethoden von Bent Branderup, dem berühmten dänischen Reitmeister der heutigen Zeit. Er unterrichtet Reiter und Pferde unterschiedlichster Rassen in Europa und gehört zu den besten Ausbildern der Welt. Auch ich bin durch Bent Branderup stark geprägt und bilde mich regelmäßig bei ihm fort.
Wir wissen, dass schon Xenophon vor 2400 Jahren Reitkunst betrieben hat. Wie alt die Reitkunst tatsächlich ist, das weiß man nicht genau. Vielleicht werden es solche Reitkulturforscher - wie es auch Bent Branderup ist - herausfinden.
 
Im Zeitalter der Renaissance gab es in Europa viele Reitakademien, in welchen der Adel unterrichtet wurde. Reiten gehörte zum Lernstoff wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Kampfkunst. Die Herrscher, wie Fürsten und Könige, ritten bei Kampfzügen vor ihrem Heer her, um es anzuführen. Dabei mussten sie in der Lage sein, auf und mit dem Pferd zu kämpfen. Die Ausbildung dieser Pferde beinhaltete die Schulen über der Erde. Bei den Schulen über der Erde werden Sprünge und Auskeilen des Pferdes so trainiert, dass sie für den Reiter abrufbar und kalkulierbar werden. Somit konnte das Pferd als Waffe eingesetzt werden.
Im Barock verlor die Kampfreiterei an Bedeutung. Es wurden neue Kriegsstrategien entwickelt und die Schusswaffe wurde eingeführt.
Dadurch kämpften die Feldherren nicht mehr an vorderster Front. Das Reiten wurde zur Kunst erhoben. Nahkampfreiterei gab es meist nur noch auf königlichen Jagden, bei welchen man Großwild, wie zum Beispiel Hirsche, Bären und Wildschweine, mit der Lanze vom Pferde aus erlegte. Diese Jagdpferde bekamen weiterhin die Ausbildung der Kriegspferde. Des weiteren züchtete der Adel Pferde, welche als Luxuspferde zu reinen Schulpferden für die Ausübung der Reitkunst ausgebildet wurden, zum Beispiel Lippizaner, Spanisches Pferd, Frederiksborger und auch Hannoveraner.
Auch heute gibt es noch einige wenige Reitakademien. Die bekanntesten sind die Spanische Hofreitschule in Wien (Österreich), die Königlich-Andalusische Reitschule in Jerez de la Frontera (Spanien), die Ecole Nationale d'Equitation in Terrefort bei Saumur (Frankreich) mit dem Cadre Noir sowie in Karlsruhe (Deutschland) das Reitinstitut Egon von Neindorff.

 

DAS ZIEL:


Das große Ziel der Akademischen Reitkunst ist das einhändig gerittene Pferd. Die Arbeitshand ist frei, um eine Waffe zu halten. (Heute eher um mit dem Handy zu telefonieren).
Die Gerte wird dabei nach oben gehalten.  Die einhändig geführte Kandare symbolisiert den Reichsapfel, die nach oben gehaltene Gerte das Zepter. Aus Demut vor der Reitkunst ist die Gerte aus Holz.
In der Akademischen Reitkunst sollen Pferd und Reiter zu einer gemeinsamen Harmonie gelangen, in Bahn und Gelände. Das Pferd lässt sich durch den Sitz und die Schenkel des Reiters führen und lenken. Die Zügel werden dabei in der schwächeren Hand gehalten. Durch das feine Annehmen der Zügel wird eine lockere und leichte Verbindung von der Zügelhand zum Gebiss hergestellt.
Dabei ist es wichtig, das Pferd zur freiwilligen Mitarbeit zu ermuntern. Um seine Stärken herausarbeiten zu können und um seine Schwächen zu verringern, ist ein gezielter Muskelaufbau des Pferdes erforderlich. Das Pferd soll, ohne Schaden an Körper oder Seele zu erleiden, den Reiter in allen Lektionen ein Leben lang tragen können.
Schwächen und Fehler werden immer zuerst beim Reiter gesucht und nicht beim Pferd. Somit ist der Reiter stets gefordert, an sich selbst zu arbeiten und über den Umgang mit dem Pferd nachzudenken.

 

WAS BEDEUTET FÜR MICH AKADEMISCHE REITKUNST HEUTE:

Wer Reitkunst selbst erleben will, hat viele Jahre hartes Training hinter sich, und ich denke, es ist leider trotzdem nicht jedem, der hart arbeitet, gegönnt, zur Reitkunst zu gelangen. Trotzdem können diese Menschen gute Reiter werden, mit viel reiterlichem Geschick und Können. Auch Weltmeister haben nicht unbedingt die Voraussetzungen zum Reitkünstler. Im Wettkampf steht der Sieg und die Technik im Vordergrund und nicht die Kunst.  
Reitkunst findet für mich nicht in einer bestimmten Reitweise statt.
Reitkunst bedeutet Leichtigkeit in der Bewegung, ein Zusammenschmelzen von Pferd und Reiter.
So kann Reitkunst für mich sowohl in der Klassischen Dressur wie auch im Gangpferdebereich oder beim Westernreiten stattfinden.  
Reitkunst ist Harmonie, Einklang und Leidenschaft, aber auch Gerechtigkeit dem Pferd gegenüber, nicht nur auf Shows, sondern auch beim Training zu Hause. Nur wer Reitkunst lebt, wird zur wahren Reitkunst gelangen.
Reitkunst bedeutet für mich keine akrobatischen Leistungen des Pferdes, wie man es bei Zirkuslektionen sieht.Wenn aber ein Pferd Lektionen wie z.B. eine Levade oder eine Piaffe mit seinem Reiter harmonisch gefühlvoll und mit spielerischer Leichtigkeit ausführt, dann ist dies für mich die Krönung der Reitkunst.
Für mich bedeutet Reitkunst die Entfaltung des Pferdes im Einklang mit dem Menschen. Dabei ist die Gesundheit von Pferd und Reiter über alles andere zu stellen.
Akademische Reitkunst heute bedeutet: altes und neues Wissen von der Reiterei über die Bewegung des Pferdes zu vergleichen und zu analysieren; wissenschaftliche Ergebnisse zu beachten; altes und neues Wissen zu hinterfragen; vieles aus Medizin, Forschung und Wissenschaft über das Pferd zu erfahren und zu lernen, damit man z. B. falsche, ungesunde Bewegungsabläufe frühzeitig erkennen kann.